Volker Klotz

Etwas über Bühnenstücke von Albert Drach Namentlich über Das I und Meister Siebentot

Vorbemerkung und erste Sichtung

Gezwungenermaßen, nicht aus geläufiger Koketterie ist der Titel dieses Vortrags bescheiden. Wahrlich, nur Etwas läßt sich hier sagen über Bühnenstücke von Albert Drach. Nur dies und das, was ein erstes schütteres Lesen erspäht hat bei einem Bruchteil des dramatischen Gesamtœvres, das mir vorerst unabsehbar vorkommt. Insofern läßt sich, kenntnisarm und leichtfertig, allenfalls vermuten, das Erspähte könnte vielleicht bezeichnend sein. Bezeichnend für das, was der Autor Drach dramaturgisch und szenisch im Schild geführt haben mag.

Woher die erzwungene Bescheidenheit? Vor etlichen Jahrzehnten hat der Vortragende einzig das Große Protokoll gegen Zwetschkenbaum gelesen, sehr angetan, doch danach nichts weiter von Drach. Er wußte nicht einmal, daß dieser Autor Bühnenstücke geschrieben hat. Umso neugieriger war er, als vor einem halben Jahr Wendelin Schmidt-Dengler ihn artigst anschubste mit der Frage: Wollen Sie nicht darüber einen Vortrag halten? Ei, warum nicht? Etwas kennen zu lernen, ist allemal reizvoller, als längst Gekanntem eine – vielleicht – unbekannte Nuance abzugewinnen. Wer möchte da widerstehen: Als theaterlustiger Literaturwissenschaftler? Und diese Spezies kommt tatsächlich vor in der akademischen Natur, wenngleich vereinzelt, etwa so wie das rare, zugleich eierlegende und säugende, Amphib mit Namen Schnabeltier.

Einschüchternd war dann freilich die Menge und Vielfalt der dramatischen Werke: drei publizierte Bände mit fünfzehn wortreichen Texten: abendfüllend, wenn nicht gar abendsprengend. Und das ist bei weitem nicht alles, was Drach fürs Theater geschrieben hat. Selbst Kenner wären da genötigt, gründlich zu sondieren und zu scheiden. Nicht nach Gut und Schlecht, in Töpfchen und Kröpfchen, wie es Aschenputtels Tauben tun. Vielmehr nach Sorten. Erst recht der überwältigte Unkenner ist dazu genötigt, will er nicht untergehen in der eindrucksvoll überschwappenden Fülle. So richte ich denn, ausgehend von den drei veröffentlichten Bänden, die Aufmerksamkeit auf nur zwei ausgewählte Bühnenstücke: auf Das I und Das Kasperlspiel vom Meister Siebentot. Und zwar deshalb, weil mir gerade diese zwei – gemessen an avancierter dramatischer Weltliteratur unseres Jahrhunderts – besonders originell und markant erscheinen. Wohlgemerkt und wie gesagt, auf den ersten Blick, der Berichtigungen dringend erfordert. Außer Betracht läßt meine willkürliche Auswahl somit folgende Sorten von Drachs Dramatik:

Stücke mit historischen Figuren und Ereignissen, auch wenn sie noch so ana- und katachronistisch verquer damit umspringen. Etwa: Das Auseinandervorbeispiel vom Leben für eine Verstorbene (um Juan d’Austria); Der Vortritt (um Kaiser Heinrich I.); Das Satansspiel vom göttlichen Marquis (de Sade); Das Satyrspiel vom Zwerge Christian (Dietrich Grabbe).

Allegorische Stücke wie Das Passionsspiel von der Lüge und der Lächerlichkeit und quasi-allegorische Lehrstücke wie Das Abstraktspiel Andere Sorgen. Schließlich, aus medialen Gründen, entfallen Hörspiele, die garnicht flur die Schaubühne gedacht sind wie A und K oder Das Paradies außer Sicht.

 

Titel

Schon aus den Titeln springt die Leser ein auffälliges Merkmal von Drachs Bühnenstücken an. Weil jeglicher Titel überhaupt den ersten Aufprall bewirkt zwischen jeglichem poetischen Werk und seinem Publikum, liegt es nah, darauf zunächst einzugehen. Bei Drach gibt es kaum ein Stück, das nicht von vornherein als „Spiel“ angekündigt würde. Der Vermerk „Spiel“ aber, auf dramatische Gebilde bezogen, mutet hierzuland und heutzutag eher befremdlich an. „Schauspiel“ ist uns zwar aus deutschsprachiger Literaturgeschichte vertraut, doch so heißt gemeinhin nur ein gattungspoetisch und historisch begrenztes Genre: Drama ernsthaften Inhalts mit glimpflichem Ausgang, überwiegend im achtzehnten Jahrhundert. Daß Drachs „Spiele“ eher den Gegentyp dazu darstellen, zeigt ihr ganz andrer Ernst und Ausgang.

Näher kommen sie dem allgemeineren englischen „play“, das jederlei Dramentext im vorhinein auf seine praktische Bestimmung verpflichtet: spielerisch auf der Bühne agiert zu werden, vor zuschauendem Publikum. Und noch viel näher kommt Drachs „Spiel“-Begriff dem volkstümlichen „ludus“ des Mittelalters.

Jenem Spektakel unter freiem Himmel: seis als frommes Mysterienspiel, das von Laien, seis als akrobatisches Kunststück, das von berufsmäßigen Schaustellern vorgeführt wird. Ob jene Spiele nun mehr der religiösen Veranschaulichung dienten oder dem zirzensischen Radau, im Gefolge antiker Arena-Sensationen: sie waren eher kraß als wohltemperiert, eher fratzenhaft als subtil. Drastische Umrisse, Bewegungen und Konfrontationen prägten sich dem massenhaften Publikum ein. Also das schiere Gegenbild zu den inneren Zerrissenheiten eigenartiger Charaktere, sofern sie sich damals schon regten, die weder zur Kenntnis noch gar ins Blickfeld der mittelalterlichen ludi gerieten.

Von derart vorindividuellem und vorpsychologischem Theater läßt sich der Spiele-Autor Drach anregen. Dabei trifft er sich mit maßgeblichen Stückeschreibern und Regisseuren der europäischen Theater-Avantgarde im ersten Jahrhundertdrittel. Er trifft sich: mit Jarry, der in Ubu roi Impulse vom schrillen Grand Guignol: mit Meyerhold, der Impulse vom Kabuki; mit Majakowski, der Impulse vom Zirkus und Mysterienspiel; mit Brecht, der Impulse vom Bänkelsang und No-Theater; mit O‘Casey, der Impulse vom angelsächsischen Jahrmarkts-Melodram; mit Pirandello, der Impulse der Marionettenbühne; mit Valle-Incian, der Impulse von grotesken folkloristischen Maskenumzügen aufgreift und weiterverarbeitet.

Grundsätzlich stimmt Albert Drach, wiewohl eine Generation jünger, mit jenen Verfechtern einer strikt anti-illusionistischen Bühnenpoetik überein. Zumal in zwei epochalen Erfahrungen, die sich der Konstruktion seiner Stücke deutlich eingeprägt haben. Erstens: die herkömmliche Trennung von tragisch erschütternden und komisch lachhaften Szenen –  womöglich gar noch von hoher und niederer Stillage –  läßt sich sinnvoll nicht länger aufrecht erhalten. Zweitens: die bürgerliche Einzelpersönlichkeit mit ihrem ebenso geräumigen wie tückenreichen Innenleben ist dramatisch belanglos geworden. Gleich jenen avantgardistischen Vorgängern, aber auch gleich manchen zeitgenössischen Stückschreibern wie Ghelderode und auch Ionesco, will Albert Drach davon nichts wissen. Schroff kehrt er den Lebens- und Sterbensquerelen der Charaktere bei Ibsen und Tschechow, bei Strindberg und Schnitzler den Rücken. Und erst recht ihrem noch immer nachhechelnden Epigonengefolge: bei Arthur Miller und Albee bis hin zu den emsigen Trauerarbeits-Dienstverpflichteten unsrer Tage. Wie sie zahnt, die Einzelseele, oder hernach auf ihren wackelnden Plomben herumbeißt, das kommt auf Drachs Bühne nirgends vor. Befund: nicht spielenswert.

Aber noch mehr schellen seine Titel und Untertitel aus. Und der Fortgang des jeweiligen Bühnengeschehens bekräftigt es, Szene für Szene bis zum Schluß. Gefielen sie sich nur in eitler Bauernfängerei, müßte man nicht weiter darüber nachdenken. Doch selbst das absonderlichste Etikett dieses oder jenes Stücks gibt bemerkenswerte Auskünfte übers große Ganze. Nicht nur übers vollständige Stück, das dann folgt, auch übers bühnenpoetische Gesamtkonzept des Stückeschreibers Drach. Was zeigt er an, welche Art von Spiel?

Sieht man ab von althergebrachten Genre-Namen wie Passionsspiel und Satyrspiel, dann bleiben: Abstrakt-, Absurd-, Aneinandervorbei-, Kasperl-, Kernsprengungs-, Satans- und Skurrilspiel. Sie lassen gewisse durchgängige Tendenzen erkennen, die triftig vorausweisen auf das, was zu erwarten ist. Thematische Tendenzen nicht minder als stilistische und dramaturgische.

Thematisch kündigt sich an, daß es um überdimensional gemeingefährliche Dinge gehen wird: siehe Kernsprengung und Satan. Stilistisch kündigt sich an, daß diese Dinge nicht mimetisch nachahmend, quasi naturgetreu erscheinen werden sondern verbildlicht, auch überzogen und verzerrt: siehe absurd, skurril, abstrakt. Und dramaturgisch kündigt sich ein szenischer Hergang an, der nicht folgerichtig und bündig abläuft, sondern quertreiberisch und zerhackt: siehe Aneinandervorbei. Oft wird es ein Hergang sein, der die handelnden und leidenden Figuren karambolieren läßt im peitschenknallenden Perlicke-Perlacke eines von Kindern umkrischenen Guckkastens: siehe Kasperl. Derart besiegelt auch die besondere Kennzeichnung des je besonderen Bühnenstücks: es steht auf dem Spiel des Spiels nichts einmalig Eigenartiges, vielmehr allemalig Beispielhaftes. Ein stilisiert großmäuliger Anspruch auf Totalität, mehr hoch- als niederschmetternd. Er gipfelt im Untertitel zum politischen Spektakelstück Das I. Nämlich: ‚Panoptikalspiel‘. Alles zu sichten, verheißt er. Und er verheißt gleichermaßen das monströse Augen-Abenteuer jener Schaubuden namens Panoptikum.

 

Bühne

Was aber gibt‘s zu sehen, laut Text, sobald der Vorhang aufgeht? Nicht selten: abermals einen Vorhang. So im Kasperlspiel vom Meister Siebentot, so auch im Panoptikalspiel Das I. Und hat man die Simultanbühne von Gottes Tod ein Unfall vor Augen, die viergeteilt ist nach Art von Nestroys Haus der Temperamente, zwei Wohnungen oben, zwei Wohnungen unten – ‚ dann liegen die Verhältnisse ähnlich. Hier werden die vier Bühnensektoren zwar nicht durch innere Vorhänge abgeteilt, doch durch Beleuchtung und Abdunkelung. Ob so oder so, allemal fällt prima vista in die Augen: Drachs Spiele veranstalten, mehr als nur ausnahmsweise, Spiel im Spiel.

Dabei folgen sie, einerseits, dem Vorbild des barocken Teatrum mundi, das Drach allerdings wie schon Wedekind, erneuert und entfeinert zum Circus mundi. Sein Welttheater wird zur schlagkräftigen Großmetapher einer Halbweltbühne. Voilá: die spätkapitalistische Manege, wo tödliche Konkurrenzkämpfe toben.

Andrerseits offenbart sich Drachs Spiel im Spiel mitunter obendrein in einem ebenfalls sinnbildlichen Initialereignis. Gleich zum Auftakt, nachdem sich der Bühnenvorhang geöffnet hat. Ein solches Initialereignis, das die dramatische Handlung ankurbelt, entwirft zugleich die Fluchtlinien, in denen sie verlaufen wird. Besonders wirksam geschieht das im Spiel vom I.

 

Das Spiel vom I

Initialereignis, woraus alles weitere hervorgeht, ist hier eine lärmende Runde von Glücksspielern. Ganoven und ihr weiblicher Anhang hocken herum und spielen „nacheinander Würfel und Karten“ (S. 189):

PUCKEL: Du spielst aus.

GANGSTL: Das As ist von mir.

HUNZGFRAST: Ich hab das andere.

PUCKEL: Nur eines kann echt sein.

MULLI: Lassen wir beide zu. Das dreckige sticht.

PUCKEL: Weil es länger in der Hand ist.

GANGSTL: Weil es meins ist.

HUNZGFRAST: Das in deiner Tasche war, welche schmutzig ist.

MULLI: Spielen wir ein anderes Spiel.

PUCKEL: Es gibt keins mehr.

GANGSTL: Wir haben vorher gewürfelt.

HUNZGFRAST: Die Kartenspiele waren alle dran, auch Dame und Schach. (...)

MULLI: Spielen wir Weltveränderung. Da können die Damen mitspielen.

PUCKEL: Nie gehört. Was ist das?

GANGSTL: Wie macht man das? (5. 189)

Hiermit also eröffnet Drach sein Bühnenstück vom I. Nur zu offensichtlich verschlüsselt erspielt es Akt für Akt: die Machtergreifung der Nazis; ihre räuberischen und mörderischen Unternehmungen drinnen im Land (mithilfe und zugunsten arischer Kapitalisten) und draußen in der Welt (mithilfe und zugunsten gefügigen heimischen Militärs und fragwürdiger alliierter Kriegsgegner). All dies erspielt es bis hin zur Kapitulation und verlorenen Macht, die freilich nach der Niederlage insgeheim weiterschwelt. Vorläufig ad infinitum. Die Ganoven, die hier zu Beginn schon drauf und dran sind, überzuspringen vom unergiebig unblutigen zum ergiebig massenmörderischen Spiel, sie lassen durch Taten und Gebaren erkennen, wer und was gemeint ist. Nicht nur mit der schwadronierenden Killerfigur des Gangstl=Hitler, auch mit seiner Mann- plus Frauenschaft drumrum.

Die Leser des Stücks denken wohl unwillkürlich an Brechts Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui, wo die Nazibewegung ebenfalls als umtriebiges Gangstersyndikat daherkomrnt, noch dazu auf einer ähnlich ostentativen Jahrmarkts-Bühne. Und sie denken wohl erst recht an Die Rundköpfe und die Spitzköpfe, die der gleiche Brecht im Vorspiel auf dem Theater als szenische „Greuelmärchen“ ausschreien läßt. Erst recht deswegen, weil im letzteren Stück wie auch bei Drach der Schwerpunkt des Geschehens auf die wohlberechnete strategisch schlaue, systematische Judenverfolgung fällt. Daß Brecht nicht so weit geht wie Drach –  weder im Ausmaß der Greuel noch zeitlich bis in die Nachkriegsjahre hinein – ‚ das liegt zumal am anderen historischen Kenntnisstand der Entstehungsjahre. Die Rundköpfe wurden 1934/38 verfaßt, Arturo Ui 1941.

Nicht um mögliche Abhängigkeiten des einen vom andern Autor geht es: sie interessieren mich hier so wenig wie irgendwo sonst. Der kontrastierende Hinweis kann jedoch den Einblick in Drachs durchaus eigenständige Bühnenpoetik nur fördern. Jedenfalls beschränkt sie sich nicht auf seine vertrackt negative Theologik, die sogar den Teufel noch einbezieht in Gestalt des Mulli. Derlei sei freilich den Kennern und Liebhabern letzter Dinge überlassen. Es bleiben indes noch genügend brechtferne Eigenheiten, die einen Literaturwissenschaftler unmittelbar angehen. Thematische und szenische. Werfen wir dazu nochmals einen Blick auf Kartenspiel und Vorhang.

Leitmotivisch, aber auch leitmotivierend setzt Drach sie ein im Gesamtverlauf seines Bühnenstücks Das I. Nachdrücklich akzentuieren sie die vorgeführten Machtverhältnisse. Nicht nur die politischen: wie die Naziherrschaft, getragen vom gesamtdeutschen Volk, sich ausbreitet, und wie sie sich zumal über die Juden hermacht. Auch szenisch: wie diese politische Gewalt – so muß es zunächst scheinen – zugleich die ästhetische Macht an sich reißt, also jene über den theatralischen Hergang auf der Bühne.

 

Kartenklopfen und Vorhangziehen

Zunächst zum Kartenspiel. Nur einige von vielen Textstellen wähle ich aus, die dieses Leitmotiv fortentwickeln vom ersten bis zum letzten Akt. In Wort und Tat.

Man gewinnt ein Spiel nicht mit der ersten Karte, die man ausspielt. Das wichtigste ist, zu wissen, was die andern im Blatt haben. (So Mulli, S. 199). Meine Männer und Frauen, wir sind im Begriff, ein anderes, besseres Spiel zu spielen. Dieses Spiel heißt I. Es scheint ganz einfach. Man reißt diesen Buchstaben aus irgend einem Zusammenhang und steckt ihn zwischen die Arschbacken. (...) Es bleibt ein Spiel auch dann, wenn wir die Trümpfe in der Hand haben. Man muß sie nur richtig ausspielen. (Mulli S. 206) Wir müssen nun das Volk ganz in unsre Hand bekommen. (Mulli 207)

Wie damals sich herausgestellt hat, daß ich das maßgebliche As habe, war es sicher, daß ich das Spiel gewinnen werde. Aber wie wir das I gefunden haben, (...) war es gewiß, daß aus dem Spiel Ernst wird. Ich will nicht eher ruhen, bevor der letzte Jude ausgerottet und die ganze Welt unser ist. (Gangstl, S. 221)

Und schließlich, nach der vorläufigen Niederlage, da heißt es:

Im Augenblick steht das Spiel mit dem I nicht günstig für uns. Wenn wir nicht mit der Spielkasse durchgehen, werden wir bezahlen müssen. (...) Ich ziehe dir (dem Gangstl, VK) das I aus dem Steiß, denn es war nur ein Spiel. (Mulli, S. 246 u. 247)

Aus diesen Textstellen läßt sich mindestens dreierlei ablesen. Erstens: daß und wie das Kartenspiel die Verlaufskurve vom Aufstieg und Niedergang der dargestellten Naziherrschaft markiert. Zweitens: wie der Dramatiker Drach der drohenden Versuchung begegnet, die Augenscheinlichkeit von Bühnenereignissen auszuliefern an die Beredsamkeit allegorischer Beweisführung. Produktiv widersetzt er sich dieser Versuchung. Und zwar dadurch, daß er die banale Schwerkraft einer kartenklopfenden Stammtischrunde ebenso wichtig nimmt wie das, was sie sinnbildlich besagen soll. Wenn dies gelingt, so ist es – drittens – dem  Sprachspieler Drach zu verdanken. Denn der bietet dem szenischen Gedankenspieler Drach gleichermaßen Paroli und Parole. Inwiefern?

Teils hörbar, teils sichtbar mobilisiert er Redewendungen des Volksmunds. Nicht zuletzt solche, die der körperlichen Gegenöffnung eben dieses Volksmunds gelten. Wer übel dran ist oder gar verloren, der ist am oder im Arsch. Wir haben vernommen, was das große I alias J bedeutet als springender Punkt im neu erfundenen Kartenspiel. Diese Initiale der Juden wird, so erläutert es Mulli, aus dem Zusammenhang des Alphabets wie auch der Gesamtgesellschaft gerissen, um es zwischen die Arschbacken zu klemmen. Und das Publikum kann denn auch alsbald mit Augen und Ohren verfolgen, wie jene vernichtet werden, die mit dem I gezeichnet sind, zum Vorteil der falschspielenden NS-Ganoven.

Die alltägliche Praxis des Kartenspielens enthält freilich noch mehr und anderes, das ebenfalls menschliche Körperteile beansprucht. Auch dies läßt sich der Sprachspieler Drach nicht entgehen. Vor allem die Hand, die Karten mischt und austeilt; die Karten aufnimmt und ordnet; die Trümpfe auf den Tisch knallt; die heimlich falsche Karten aus dem Ärmel zieht oder verschwinden läßt. Auch dazu steuert der Volksmund, den Drach verhört, einschlägig handgreifliche Redewendungen bei. Etwa: jemanden in die Finger kriegen, in der Hand haben, am Kragen packen, jemandem die Kehle zudrücken. Lauter Tätigkeitswörter, die nun tätlich werden auf der Bühne. Dann, wenn die Partei der „Arischphantasten“ Hand anlegt an ihre auserkorenen Opfer, jene mit dem 1 alias J.

Damit kommen wir zum andern Leitmotiv. Zum Vorhang, zum inneren Vorhang fürs Spiel im Spiel. Er ist genau so handfest wie der äußere. Drach nutzt ihn, um sein zahlreiches Personal deutlich zu scheiden in Täter und Opfer. Den Blick für diese Scheidung schärft auf Anhieb die Simultanbühne durch räumliche Zweiteilung. Waagrecht beim ersten, zweiten und fünften Akt: links die nazistischen Täter, rechts ihre jüdischen Opfer. Senkrecht dagegen im dritten und vierten Akt, wo die Juden vollends zur Vernichtung getrieben werden. Hier nun: droben die Täter, drunten die Opfer. Des inneren Vorhangs aber, der die jeweils bespielte Bühnenhälfte freigibt und die jeweils unbespielte verdeckt, dieses Vorhangs haben sich von Anfang an die „Arischphantasten“ bemächtigt. Solang sie die Macht anstreben und innehaben, öffnen und schließen sie ihn von Szene zu Szene. Sichtbar mit ihren Händen tun sie das. Was wortlos besagt, daß sie es sind, die das Geschehen gliedern und für seinen Fortgang sorgen.

So ruft Drach den Eindruck hervor, als seien sie auch Herr über die Kunstveranstaltung, die gerade abläuft; als seien sie, totalitär, auch die theatralischen Spielmacher des Ganzen. Jedenfalls, solang sie an der Macht sind. Daß dieser augenscheinliche Trumpf der „Arischphantasten“ nichts weiter ist als der geheime Trumpf des Autors, von dessen Gnaden sie agieren, das zeigt sich schon bald. Genauso, wie er ihnen die szenische Spielmacherrolle einräumt, so nimmt er sie ihnen auch wieder weg. Und zwar längst schon, bevor sie die Peripetie ihrer politischen Macht erkannt haben.

 

Das Kasperltheater vom Meister Siebentot

Auch dieses Stück operiert mit doppeltem Vorhang, mit Spiel im Spiel. Sogar noch zusätzlich wird dem Publikum eingehämmert, jenem im Parkett wie jenem auf der Bühne, daß hier Theater veranstaltet wird. Vor allem durch die ausdrückliche Eröffnung von jedem der acht Bilder. Regelmäßig übernimmt dies die einzige Figur des Stücks, die seltsamerweise beides auf einmal ist: verwickelt ins dramatische Geschehen und zugleich drüberstehend. Es ist Arnanda. Ihr Name sagt, was es mit ihr auf sich hat. Sie ist die schöne weibliche Gerundiva.

Diejenige, die zu lieben ist, die aber nicht von ihm, den sie liebt, indikativisch geliebt werden kann. Denn er, der Titelheld, das Kasperl mit dem Namen Siebentot, ist herzlos und blutleer. Amanda also eröffnet jedes Bild als kommenden theatralischen Akt, die Augen und Ohren des Publikums erobernd mit einem Lied, zu dem sie tanzt. Und zwar auf einer Trommel, Takt schlagend mit den Füßen. So agiert sie im Namen des zugleich szenischen und sprachlichen Bilderspielers Drach. Die Trommel trommelt aus, was jetzt sogleich geschehen wird, aber auch später dann, was mittlerweile geschehen ist zwischen vorigem und kommendem Bild. Dabei schlägt Amandas Auftakt-Ballade jeweils auch tönend eine Brücke.

Aus diesem Initialereignis geht indes noch weiteres hervor. Anders als das initiierende Kartenspiel im Bühnenstück vom I, schubst es nicht nur an, was jetzt kommt, es wertet zugleich. Indem Amanda scharf skandierend auf der Trommel tanzt, tritt sie eben diese Trommel mit Füßen. Programmatisch verdammt sie dabei auch den Krieg, in den ihr geliebter liebloser Kasperl die Leute hernach hineintrommeln wird. Ein Krieg, der ihnen Verstümmelung und Tod beschert, dieweil Kasperl selber nichts davon verspürt, am Leib so wenig wie an der Seele. Ist er doch, sägmehlgefüllt, weder sterblich noch lebendig, weder verwundbar noch lustfähig.

Schon der Titel weist darauf hin: der Protagonist ist nicht nur ein Kasperl, der wie am Schnürchen agiert, er ist zugleich auch dem Märchen entlaufen. Vor allem dem Grimmschen Volksmärchen, wo Das tapfere Schneiderlein, nachdem es auf einen Streich sieben Fliegen erschlagen hat, loszieht wie ein Miniatur-Herkules, um das geplagte Land von Riesen, vom Eber und vom Nashorn zu befreien, dabei mehrmals um den versprochenen Lohn betrogen wird, bis es dann doch noch des Königs Tochter kriegt. Und dem Namen nach ist Drachs Protagonist auch noch dem Kunstmärchen entsprungen, das Clemens Brentano daraus gemacht hat, dem vom Schneider Siebentot. Da Drach jedoch außer dem zeitweiligen Beruf und der Riesen-Episode kaum etwas davon übernimmt, bleibt für sein Stück von jener Herkunft nur das unbekümmerte Drauflos eines Märchenhelden.

Fürs Publikum hingegen bleibt noch etwas anderes: eine heftige Enttäuschung, die der Autor wohl genau berechnet hat. Bös geprellt sieht sich das Publikum, von Anfang bis Ende, durch die Rolle und durchs Gebaren des Protagonisten. Zum besagten Drauflos jedes Märchenhelden fehlt ihm ganz entschieden beides: der eigentliche Beweggrund und das Ziel. Schlechterdings märchenwidrig, ist Drachs Kasperl weder spontan hilfsbereit, noch ist er drauf aus, erlösend sein Glück zu machen im Einklang mit dem Glück der andern. Trotzdem geht er, wie so mancher Märchenheld, rastlos zuwege. Er greift aus, greift um sich und greift ein in die Welt. Und er gibt erst recht Anstöße, daß andre in sie eingreifen, zu ihrem und zum Unheil der Welt. Doch es geschieht nicht aus Kasperls eigenem Antrieb. Denn er hat an und für sich keinerlei Initiative.

Von daher, so scheint mir, rührt die besondere szenische Anziehungskraft dieser Hauptfigur, die ihresgleichen sucht sowohl in herkömmlicher wie in avantgardistischer Dramatik. Drach steigert sie noch durch den mutwillig geweckten und dann doch vorenthaltenen Märchenanspruch. Worin besteht sie nun, diese einzigartige Anziehungskraft des Kasperl? In seinem seltsamen Vakuum. Es saugt nicht nur, sichtbar, fremde mechanische Kräfte in sich hinein, die dem Kasperl ermöglichen, verletzend herumzufuchteln. Es saugt zugleich, hörbar, fremdes Sprechen in sich hinein, das ihm ermöglicht, ebenso verletzend herumzureden. „Was ihm eingeblasen wird“, so sagts sein ursprünglicher Chef, der Schaubudenbesitzer, „bläst er zurück.“ (10)

Drach beläßt es nicht dabei, mit der Idee des Marionettentheaters lediglich zu spielen. Auch nicht dabei, die anschauliche Tatsächlichkeit des Marionettentheaters zu verfremden, indem sie sein Kasperl, wiewohl besetzt mit einem Schauspieler, ruckartig in Gang hält. Ebenso wenig begnügt sich der Autor damit, schrille Dissonanzen zu entfesseln zwischen der solchermaßen mechanisch bewegten Mittelpunktsfigur und den andersartigen, durchaus lebendigen Figuren drumherum. Drach überträgt vielmehr, mit allen Konsequenzen, das Grundprinzip jener außengesteuerten Motorik vom Puppentheater aufs Menschentheater. Nur partiell: allein auf die Hauptfigur, doch auf sie ganz und gar. Und somit umso erschreckender.

Ganz und gar aber heißt, weil Menschentheater sich eben nicht erschöpft in wortloser Pantomime, daß Drachs Kasperl mehr als nur zappelnd sich ergeht und gebärdet. Auch und erst recht der gesprochene Dialog unterliegt hier dem Prinzip marionettenhafter Fernlenkung. Und somit die fundamentale Äußerungsform europäischer Dramatik. Allerdings – und hier stoßen wir auf den springenden Punkt – : das Marionettenprinzip verlagert dabei seine Wirksamkeit von Senkrecht auf Waagrecht. Hier, beim Dialog, gibts also keinen verborgenen Puppenspieler, der etwa so, wie er sonst von droben her dem Kasperl die Fadengestänge führt, nun auch von droben her dem Kasperl die Stichworte und Repliken eintrichtern würde. Was Kasperl sagt und erwidert, ist ausschließlich drunten in ihn eingegangen, auf der gleichen Etage des Bühnenbodens. Visàvis ist es ihm zugekommen aus den Mündern all der andern Mitspieler.

Ein unerhörter szenischer Hergang. Voller Überraschungen, die nicht sogleich verpuffen, sondern sich ständig neu wieder aufladen. So nämlich, wie Kasperl den Lauf des Geschehens durchquert und erst recht die Gruppen der Leute, wird er zum Akkumulator. Mit jedem Schritt schlürft und schlürft er ausgesprochene Meinungen und Ansichten, aber auch angesprochene Situationssplitter. Er speichert sie, verquirlt sie und entläßt sie dann wieder, bei jeder weiteren Gelegenheit, aus seinem Mund. Mal in dieser, mal in jener Kombination von Redebrocken.

Ich zitiere einen Abschnitt aus dem zweiten Bild. Wie in den andern Bildern des Stücks herrscht hier unentwegtes Kommen und Gehen, besteht kleinstädtisch enger Blickkontakt zwischen Straße und Balkon, zwischen Vorgärtchen und offener Werkstatt gegenüber.

HERR: Sie sprechen von Kasernen? In welchem Zusammenhang?

KASPERL (leise verkniffen): Es ist immer so gewesen. Zeig dein Bein! Rechts geschaut, links geschaut, wenn es nicht ehrlich geht, geht es unehrlich. Wir sind noch nicht im Krieg. Aber der Krieg kann kommen. Wenn ihnen was nicht stimmt oder sonst nicht ausgeht, kommt immer ein Krieg. Kommt der Krieg, will ich kein Held sein, sondern geh in ein Monturdepot. Man muß es mir aber befehlen. Geh nach Hause und schreibe es zehnmal auf! Du siehst es ohnehin nicht ein. Und laß es -!

AMANDA: Kasperl, was für ein Unsinn!

HERR: Nein, mein Fräulein: kein Unsinn. Eine seltne Gabe. Woher kennen Sie die Geheimnisse?

KASPERL: Hab sie auf der Straße gefunden.

HERR: Auf der Straße?

KASPERL: Was die Leute ausspucken, klaub ich auf und geb es ihnen wieder zum Schlucken.

AMANDA: Pfui, Kasperl!

HERR: Dieser Mann ist immerhin merkwürdig. Wissen Sie auch, wer ich bin?

KASPERL (geheimnisvoll): Man soll die Vorgesetzten und Zivilisten nicht prügeln. Ein Monument reizt keinen. Das ist aber alles eine Sache der Mode. Lüfte da, lüfte dort! Der gemeine Mensch muß zufrieden sein. Man errichtete dem Ruhm Bildsäulen und Monumente. Es kann aber aus einer Schande eine Ehre werden, wenn nur eine neue Mode aufkommt oder bloß eine neue Moral. (20f.)

Kasperls unverständlich sprunghafte Suada kommt dem Herrn – es ist incognito der König – beachtlich vor. Auch uns, dem Publikum, kommt sie so vor, aber aus anderm Grund. Denn wir erkennen die disparaten Redebrocken wieder, die er bislang von Mann zu Frau zu Mann aufgeschnappt hat: die Weisungen des Zuhälters ans unbedarfte Straßenmädchen (,‚Zeige das Bein ...“), die des Lehrers an die Schüler (,‚schreibe es zehnmal auf ...“), die des Korporals und so fort. Herausgerissen aus dem Blickfeld, dem Lebensaugenblick, dem Milieu der jeweiligen Figur und nunmehr ziellos aufgereiht, ergibt dieses Gestückel einen so unpragmatischen wie unlogischen Zusammenhang. Dunkel genug, um eine Aura tiefsinniger Wahrsagerei vorzutäuschen. Doch hier waltet keine absichtliche Täuschung. Denn Kasperl kann –  vorläufig –  keine Absichten verfolgen. Er läßt nur geschehen: um sich herum, durch sich hindurch.

Wenn also, unbekümmert um Amandas ernüchternde Zwischenrufe, der hohe Herr Kasperls „seltene Gabe“ bewundert, die „Geheimnisse“ des Staatslebens zu erspüren, dann täuscht er sich selbst. Gleichsam aus Wahlverwandtschaft vernimmt er bedeutsames Raunen im leeren Geraunze. Schließlich ist ihm von Amts wegen okkulte Sprache vertraut, ja unverzichtbar, zumal die gottesgnadentümliche. Und nicht anders als der verkleidete Monarch hören alle, die dem Kasperl über den Weg laufen, aus seinem Satzgewölle nur das heraus, was ihnen zupaß kommt. Genauer: das, was die jeweils eigenen Bedürfnislöcher zu stopfen geeignet scheint. Daß jedoch ihre Bedürfnislöcher eben dort klaffen, wo zuvor auch die herausgepopelten Redebrocken steckten, die sie selber von sich gaben, darin besteht der unerkannte grimmige Witz. Der Witz sämtlicher Dialoge mit Kasperl, die eben darum keine Dialoge sind.

Auf Dauer freilich, so zeigt der weitere Verlauf des Geschehens, kann es bei diesen Un-Dialogen nicht bleiben. All die heterogenen Schlagwörter und Schlagsätze, die schlecht und recht die Wünsche und Ängste, die Übergriffe und Abwehrgesten der andern verbalisieren; all das sprachlich Ausgespuckte, das Kasperl in sich sammelt, um es den Spuckern wiederaufbereitet neuerlich zum Schlucken zu geben: es gewinnt allmählich so etwas wie objektive Schwerkraft. Raumgreifend drängt diese dunkle Vokabelmasse zu Taten. Feinde stellen sich ein, die sieben zu tötenden Riesen. Krieg wird unvermeidlich, bis zum Beinah- Untergang des Landes, zu dessen Gewaltherrscher Kasperl zeitweilig geworden ist.

Drach kann hier ganz auf allegorische Überredung des Publikums verzichten. Sichtbar und hörbar, auf strikt szenischem Weg, führt er vor: wie da ein ideologisches Durcheinander von Äußerungen – des Lehrers, des Zuhälters, des Handwerkers, der Soldaten – sich mehr und mehr zum sprachlichen Konglomerat zusarnmenschließt und verfestigt; wie es sich veräußerlicht und materialisiert, als hätte es die Eigenschaften dessen, was man physikalisch Masse nennt. Und als dränge es dementsprechend, gleich einem in Schwung gebrachten wuchtigen Güterwagen, in eine bestimmte Richtung. Vorausgesetzt, es sind Schienen vorhanden. Kasperl hat sie nicht gelegt. Das haben all die Leute ringsum besorgt. Planlos, ohne es zu merken. Kasperl ist lediglich draufgesprungen auf den massiv rollenden Güterwagen.

Ich komme zum notdürftigen Schluß meines Vortrags.

Wie im voraus versichert, konnte er nicht mehr als nur Etwas über Bühnenstücke von Drach sagen. Und da auch nur über ganze zwei, aber nicht über beide ganz, mit wackliger Tendenz zu Verallgemeinerung. In beiden Fällen spricht viel dafür, Albert Drach den Radikaldramatikern des nachklassischen Theaters zuzurechnen. Jenen Stückschreibern von Kleist bis Brecht, von Nestroy bis Gombrowicz, die den Grundelementen des Bühnenspiels an die Wurzeln gehen; die das, was Theater überhaupt ausmacht, nicht selbstverständlich nutzen, sondern emphatisch unsern Sinnen zu bedenken geben. Am „Panoptikalspiel‘ Das I war zu beobachten: wie Drach dem doppelten Vorhang mehr als nur übliche Zwecke, wie er den Bühnendimensionen von Senkrecht, Waagrecht und Tief mehr als nur praktische Bedeutung abgewinnt; wie er sein umfassendes Konzept des Spiels auch noch im ordinären Initialakt eines Kartenspiels durchsetzt. Und am Kasperlspiel vom Meister Siebentot war zu beobachten: wie Drach nicht nur mit doppeltem Vorhang, sondern auch mit der springlebendigen Galionsfigur seiner singenden und trommelbetanzenden Amanda die kommenden Bühnensensationen anbahnt; wie er Marionetten- mit Menschentheater aufschlußreich kreuzt und zugleich die senkrechte mit der waagrechten Motorik der Figuren; wie er das Grundprinzip dramatischer Auseinandersetzung, den Dialog, aufstört durchs Gegenprinzip gespeicherter, repetierter und enteigneter Rede. Die aber bringt, über die Köpfe der redenden Figuren hinweg und unter ihren Füßen hindurch, unabdingbar Handlungen hervor, ob sie wollen oder nicht.

Zugleich hat sich in beiden Fällen gezeigt, daß Drach nicht nur poetisch wie auch szenisch als Radikaldramatiker vorgeht. Auch weltanschaulich geht er so vor, radikal das eine durchs andere bekräftigend

Anmerkung:
Die Seitenzahlen hinter den Textzitaten beziehen sich auf den Band: Albert Drach, Das Kasperlspiel vom Meister Siebentot und weitere Verkleidungen, München / Wien 1965 (Langen/Müller).

 

Quellenangabe:
Am 12. Dezember 1997 fand im Literaturhaus Wien das „Erste Symposium der Internationalen Albert Drach-Gesellschaft“ statt. Die dort gehaltenen vier Referate (von Volker Klotz, Alexandra Millner, Paul Roessler und Reinhard Schulte) werden nun auf der Website dokumentiert. Die Texte erscheinen in der damals von den Autoren vorgelegten Form, die unterschiedlichen Zitierweisen wurden belassen, typographische Besonderheiten berücksichtigt.
Die vier Referate bildeten 1998 das erste reguläre Heft der Zeitschrift „Prozesse“. Dieses Organ der „Internationalen Albert Drach-Gesellschaft“ erschien seinerzeit nur drei mal, die damaligen Beiträge werden sukzessive online gestellt werden.